Nach langen, schier nicht endenden 10 Monaten, sitze ich tatsächlich gerade im Zug nach St. Jean Pied de Port. Und? Keine Aufregung, kein zappeln, kein kribbeln im Bauch! Kommt vielleicht noch, schließlich sitze ich gerade mal 10 Minuten im Zug und muss das Ganze mal auf mich wirken lassen.
Erst mal nach Kaiserlauter und dann umsteigen nach Paris. Dort werde ich den Bahnhof wechseln und von Paris Montparnasse weiter nach Bayonne. Und zuletzt von Bayonne nach SJPDP.
Warum ich mit dem Zug fahre und nicht fliege? Ganz einfach, ich konnte meinen Wanderstock, sein Name ist Holz, den ich bei meiner 1. Tour gefunden habe und der mir ein guter Freund geworden ist, nicht mit ins Flugzeug nehmen. Daher habe ich mich entschlossen eine 13 stündige Zugfahrt auf mich zu nehmen.Tja und in der ganzen Eile heute Morgen hab ich Holz dann zuhause stehen lassen. Ihr denkt jetzt, tja das ist er, wie er leibt und lebt. Immer verpeilt oder zumindest oft. Aber nicht nur Holz habe ich vergessen, nein auch meinen Stein, den ich in Cruz de Ferro auf 1500hm ablegen wollte. Das Niederlegen eines mitgebrachten Steines symbolisiert, das Ablegen seiner Sünden, Laster und seiner Sorgen. Hmm, wer hat keine Sünden, denen er sich entledigen möchte? Und vielleicht komme ich ja dann auch noch in den Himmel ;-) danach sollte ein Plätzchen für mich reserviert sein. Aber bis dahin liegen rund 500km vor mir. 500km von den von mir anvisierten ca. 1000km, quasi wäre in Cruz de Ferro Halbzeit.
In Winnweiler steigt ein älterer Mann in dem Zug und setzt sich neben mich. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich den Fuß auf dem Sitz hab. Ob ich ihn den bitte runternehmen könnte, fragte er mit erhobener Stimme. Recht hat er, mit meinen Kindern hätte ich auch geschimpft. Als er dann die Muschel an meinem Rucksack sieht, ist alles gleich vergessen und er erzählt mir davon, dass er die Tour auch schon gegangen ist. Für 71 sieht er auch echt fit aus. Eine Station weiter, in Eisenberg dann der nächste Pilger. Er gesellt sich dazu und wir unterhalten uns. Er möchte mit seinen 75 Jahren zum zweiten Mal den Camino gehen. Respekt kann ich nur sagen, der traut sich was zu.
In Kaiserslautern trennen sich uns dann erst mal unsere Wege. Wir müssen umsteigen und haben in unterschiedlichen Wagons reserviert. Wir verabreden uns aber gemeinsam in Paris die Metro zu nehmen. Er meint, es sei sicherer in der Metro wenn wir zu zweit wäre. Von mir aus gerne.
Ich fahre das erste Mal 1. Klasse im Zug, uhhhh. Hat schon was, ich fühl mich so „fucking Fame”. Es liegen zweieinhalb Stunden fahrt vor mir bis nach Paris. Jetzt erst mal die Augen zumachen u d me Runde schlafen. Die 3 1/2 Stunden Schlaf im der Nacht waren definitiv zu wenig.
Aufwachen, in einer halben Stunde sind wir in Paris. Schnell nochmal pullern. So Sachen packen und raus aus dem Zug. Wie abgesprochen wartet mein Pilgerkollege an den Gleisen auf mich und wir gehen gemeinsam zur Metro. So schlimm empfinde ich die Metro jetzt aber nicht. Es quatscht uns keiner an oder macht den Anschein uns bestehlen zu wollen. Ich nehme die Metro nach Montparnasse während mein Kollege vorher aussteigt, weil er Bilder von Notre Dame machen möchte. Er will dann nachkommen. Am Bahnhof angekommen gönne ich mir jetzt erst Mal einen Cappuccino grande und schreibe weiter an meinem Pilgertagebuch.
Als ich so da sitze, und am schreiben bin, spricht mich eine Frau an“ sprechen Sie englisch?“ ich antworte „ ja kann ich“ Sie fragt mich, ob ich ein Pilger bin und ob ich die ganze Strecke laufen werde? Ich bejahe das und frage sie, ob sie auch schon diesen Weg gelaufen sei. Sie lacht mich an und meint“ mehr als nur einmal“
Mit einem Buen Camino grinst sie mich an und geht weiter. Sie sieht aus wie Anne Butterfield aus dem Buch von Hape Kerkeling. Ob sie es ist werde ich nicht erfahren, denn als ich sie darauf ansprechen wollte, war sie weg.
Ein paar Sekunden später ist dann auch mein Pilgerkumpel wieder da. Seine Fotosession am Notre Dame hat er erfolgreich abgeschlossen. Dann wieder mal pullern. Der Spaß kostet am Pariser Bahnhof 0,80€.
12:52 Uhr Abfahrt in Paris nach Bayonne.
Da Michael ( so heißt mein Pilgerfreund) und ich mal wieder in unterschiedlichen Wagons gebucht haben, trennen sich unser Wege erstmal.
Im Zug sitze ich auf Platz 27, einem Fensterplatz.
Eine schwangere Frau setzt sich neben mich und fragt ob ich vielleicht mit ihrem Mann die Plätze tauschen könne. Klar kann ich das, bin doch gut erzogen.
Also wandere ich auf den Platz 32 im Gang. Der nette junge Mann meint ob es ok wäre wenn ich mit seiner Mutter tauschen könne, die auf Platz 22 sitzt. Klar bin ja kein Unmensch. Also ich spiele wieder Bäumchen wechsle dich. Diesmal sitze ich neben einer schwarzen Perle. Zum Glück möchte sie nicht, dass ich den Platz mit jemandem tausche und so sitze ich bis Bordeaux neben ihr. In Bordeaux steigt sie dann aus zudem auch die Schwangere samt Ehemann und auch der Typ mit seiner Mutter. Ich bleib jetzt einfach hier sitzen denke ich mir so. Falsch gedacht. Kommt ne Mutti in den Zug und will natürlich auf genau den Platz 22. Wollen die mich verarschen oder was?
Ok also zurück auf meinen ursprünglichen Platz am Fenster. Was für ein Chaos. Als der Zug dann endlich wieder losfährt setzt sich ein junges Mädchen neben mich. Sie sieht ziemlich mitgenommen aus. Nach einer Weile kommen wir ins Gespräch. Sie heißt Samantha ist 27 und kommt aus Michigan. Ja ja ich weiß genau was ihr jetzt denkt. Ihr Schweine ihr. Aber warte es wird noch besser. Ich habe vorab nur die erste Übernachtung in SJPDP gebucht. Und jetzt ratet mal, wo Samantha auch vorab gebucht hatte? Genau in der gleichen Herberge. Und nein es gibt dort keine Bunga Bunga Party.
Zurück zum Wesentlichen.... letzte Station unseres Zuges ist Bayonne. Da noch einmal umsteigen in die Bimmelbahn bis SJPDP. Ich hole Michael an dem Gleisen ab und zu dritt Wartezeit auf die Bahn.
Pünktlich um 18:30 Uhr fahren wir in Bayonne los. Der Zug ist Rand voll mit Pilgern aus aller Welt aber die die man überall raushört sind? Genau die Italiener. Ihr habe echt ein lautes Organ, gut das kenne ich ja nur zu genüge ;-)
In SJPDP gehts direkt ins Pilgerbüro um uns unseren 1. Stempel abzuholen. Diese Stempel braucht man später um in Santiago eine Urkunde, die Compostela zu bekommen. Um diese Urkunde zu bekommen muss man nachweisen, dass man die letzten 100km zu Fuß oder die letzten 200km mir dem Fahrrad oder Pferd unterwegs war. Dann sofort in Dir Herberge. Michael möchte sich eine öffentliche Herberge suchen und verabschiedet sich mit einem Buen Camino von uns. In der Herberge bekomme ich mein reserviertes 2 Bettzimmer. Wahnsinn das ist so klein, kein Platz zum Umfallen. Schnell duschen und dann was essen. Hatte heute noch nix außer Cola, Cappuccino und einem Eis.
Um 21 Uhr ist hier schon fast alles geschlossen und wir nehmen das einige noch offene Restaurant. Samantha bestellt sich das gegrillte Hühnchen und ich nehme die hausgemachten Würste mit Pommes. Nach dem Essen gehts zurück zur Herberge. Hier liegen alle schon im Koma. Die schnarchen hier so laut, dass ich die Kumpels trotz Ohropax, die ich mir mittlerweile bis Anschlag reingedrückt habe, noch höre. Das gibt ne Nacht, alter Vater. Egal ich muss jetzt mal in die Pötte kommen. Es ist jetzt genau Mitternacht und um 6:15 Uhr klingelt mein Wecker. Morgen wird ein harter Tag. Die Pyrenäen stehen an, 26km auf 1400hm. Und dann bin ich nicht mehr in Frankreich sondern im Spanien um genau zusein, in Roncesvalles.
Buenas noches mis amigos
Der Fuß spürt den Fuß, wenn er den Boden spürt." Buddha.
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DER Alex (Montag, 29 April 2019 13:47)
Hey Vedat,
ich wünsche Dir eine gute und schöne Tour, den Blog werde ich täglich verfolgen. Komm Gesund zurück und mach weiter so...fetten Respekt ;-)
CU
Alex
Christian (Montag, 29 April 2019 14:15)
Gute Reise...halte uns auf dem Laufenden und komm heil wieder. P.S. Lass Dir den Cappuccino schmecken...
Die Strohwitwe (Dienstag, 30 April 2019 16:06)
Es ist zwar beim Start schon einiges schief gelaufen, kann aber nur besser werden.
Ich wünsche dir,das dir die Zeit das bringt, was du dir erhoffst.
Wir schaukeln das Ding hier schon.
Komm gesund wieder, wir vermissen dich jetzt schon.
Renate Schenk (Donnerstag, 02 Mai 2019 16:53)
Ich wünsche Dir eine wunderbare Tour!! Dein Blog ist klasse, ich wusste gar nicht, wie gut Du "all die Erlebnisse so fesselnd und witzig darstellen" kannst. Bin begeistert. Werde Deinem Blog folgen. Vor allen Dingen eins: tiefsten Respekt von uns (KH + RS) für Dich!! Mach' s gut und hasta la Vista, Baby ….