Tag 6

05.05.19

 

Los Arcos - Navarrete 42km +4km auf Herbergessuche

 

Wenn ich zu Hause bin werde ich erst mal verdammt lange ausschlafen. Obwohl in meinem Zimmer heute Nacht niemand geschnarcht hat, außer meiner Wenigkeit vielleicht, konnte ich kaum schlafen. Draußen hat die ganze Nacht ein Hund gebellt. Ich habe aber vielleicht auch ein Glück. Ok, jetzt ohne Ironie. Ich habe ganz großes Glück. Das Wetter ist super, ok stimmt der Regen am Donnerstag und bis auf eine klitzekleine Blase zwischen den Zehen, ist alles gut. Ich hatte im Vorfeld so wenig Zeit zum Trainieren und dachte mir so „ wer braucht den Training? Ich mach das mit Erfahrung wieder weg :-)“ Läuft echt gut, die Füße schmerzen zwar jedem Tag aber sie tragen mich noch, und das nur heute für 46km. 

Als um 7 Uhr das Hotel verlassen habe, waren Kirsten und Kimmi wohl schon weg. Von den zwei Jungs habe ich mich noch ordentlich verabschiedet und losgezogen. 

In der Nähe des Hotels ist ein Café, da schnell rein und einen Cappuccino to go. Heute will ich bis nach Navarret und da habe ich keine Zeit zu verlieren. Im Café sitzt auch Kimmi und trinkt ihren Kaffee Americano und isst ein belegtes Baguette. 

Für alle die genau so wie ich nicht wissen, was ein Kaffee Americano ist, das ist ein Kaffee Mokka in einer normalen Kaffeetasse, welches dann mit heißem Wasser aufgefüllt wird. Meiner Meinung mach ist das einfach ein Kaffee schwarz, aber Kaffee Americano hört sich halt besser an. Auch von Kimmi verabschiede ich mich ordentlich, denn für mich weiß ich schon genau, dass ich heute Abend und vielleicht auch länger keinen von der Truppe sehen werde. Auch wenn sie mir anbietet, dass wir uns alle in Logroño zum Abendessen treffen können, lehne ich dankend ab. Sie hat dort ein Apartment gemietet und hat eine Küche mit drin. 

Ich nehme meinen Cappuccino, stecke die Kopfhörer in die Ohren und ab dafür. Raus aus Los Arcos über eine  Schotterpiste ca. 8km nach Torres del Rio. Ich habe heute ein gutes feeling. Die ersten 8km spüren meine Füße gar nicht. Ich bin voller Freude und Euphorie. Liegt aber auch an der Hammer Mukke heute. Ich habe aber auch geile Musik auf meinem Handy, Respekt. Je schneller der Beat, desto schneller gehe ich. Berg hoch bin ich so schnell wie nie und wenn es Berg ab geht, laufe ich ihn sogar runter um die Knie zu schonen. Fuck, wenn ich so weiter mache, bin ich um 15:30 Uhr in Navarrete. Aber soweit wird jetzt mal nicht gedacht, bis dahin sind es noch 34km. Da ich nicht gefrühstückt habe und meiner Meinung mach dir letzte Zeit zu viel gegessen habe, gibt es in nur eine Banane und einen Apfel. Das muss bis zum Mittag reichen. Wasser ist wichtiger, Wasser und ein Gatorade um den Mineralhaushalt aufzufüllen. Es sind noch frische 8 Grad aber nicht eine Wolke am Himmel. Wird bestimmt ein wunderschöner sonniger Tag werden. Ab Torres del Rio geht es ständig Berg auf und Berg ab, mal auf Beton dann wieder Schotter. Die letzten Kilometer dann auf der Landstraße. Dort treffe ich dann auch Kirsten wieder. Ihr geht es nicht so gut. Sie hat Probleme mit ihrer Hüfte. Wir reden kurz aber da ich nicht wirklich etwas für Sie tun kann, verabschiede ich mich auch von ihr und bin weg. Aus den Kopfhörer dröhnt „Killing in the Name“ von Rage against the Machine. Ich renne schon quasi in Richtung Viana. Da findet wohl ein Radrennen statt. Auf der Landstraße kommen mir die ganzen Highspeed Fahrer entgehen. Kurz vor dem Ortsschild treffe ich auch Skye wieder, die hatten wir irgendwann unterwegs verloren. Auch mit ihr ein kurzes Pläuschen und dann weiter. 

In Viana selbst ist die Hölle los. Überall Pilger und vermutlich Menschen, die wegen dem Radrennen da sind. Ein deutsches Pärchen, die ich in SJPDP kennengelernt habe, treffe ich ebenfalls. Hier möchte ich nicht bleiben, zu viele Menschen. Und der Vorteil, alle die ich jetzt überhole, sind raus um das Rennen ums Bett in der Herberge. Die Kirche möchte ich mir aber trotzdem mal kurz ansehen. Von außen ist sie riesig. Kaum jemand drin, dabei ist heute doch Sonntag. Egal, raus hier und weiter in Richtung Logroño. Ca. 10km über eine Teerstrasse. Jetzt wird es auch langsam warm aber ich bleibe nicht stehen, um mir die Hosenbeine abzuzippen. Gehen 12 Uhr verlasse ich das baskische Gebiet Navarra und bin jetzt in La Rioja. Dieses Gebiet in Nordspanien ist renommiert für seine Weinbaugebiete. Die Hauptstadt von La Rioja ist die Logroño. Eine riesen Stadt. Bis ich hier durch bin, dauert ewig. Riesen Stadt aber alles zu. Stimmt ist ja Sonntag. Am Stadtrand ist ein wunderschöner Park und davor ein Café. Hier esse ich jetzt erst was, bevor ich mich auf die 12km nach Navarrete begebe.

Einen Cappuccino und zwei kleine Brötchen mit Ei und noch etwas mit Fleisch. Was es ist kann ich nicht sagen aber es ist lecker. Ich habe heute schon ein paar mal überlegt, ob ich in Navarette eine Herberge buchen soll. Aber wer soll dort den schon sein? Die meisten sind wie ich in Los Arcos los. Keiner oder nur ganz wenige geht 42km. Die Pilger, die hier aus Logroño los sind, gehen weiter als nur die 12km nach Navarette. Seit den ich hier in den Café sitze ist auch keiner mit Rucksack vorbei und die müsse hier vorbei. Heißt also im Umkehrschluss...... da ist keine Sau oder vielleicht nur ein paar, und das heißt für mich? Genau, lass dir Zeit Vedat. Genieß es, das ist kein Marathon und du bekommst auch keine Medaille. Gesagt, getan. Ich gehe in den Park ziehe mir den Rucksack ab, ziehe die Schuhe aus und leg mich auf die Wiese. Das ist so bequem und fühlt sich so richtig an. In Deutschland würde ich sowas nicht tun, es könnte ja was dreckig werden oder es kommen irgendwelche Insekten. Einfach mal nicht denken, sondern tun. Fuck wenn die Sachen dreckig werden, muss ich sie halt waschen, ist so. Die Insekten sind zwar lästig aber werden mich nicht umbringen. Solche Sachen bremsen mich zuhause. Ich muss lernen einfacher zu denken. Wahnsinn,ich weiß nicht wann ich das zum letzten Mal gemacht habe. Ich genieße die Sonne, die leichte Brise, die mir um die Nase weht. Das ist das Leben! Mir geht es so gut, dass ich jetzt erst Mal ein Mittagsschläfchen halte. 

Fast 1 Stunde war ich im Schlummerland.

Das hat mein Körper eingefordert. Es war super. Wusste beim Aufstehen schon, dass das ein geiler Tag wird. Jetzt noch Hose zippen, Rucksack an und weiter auf dem Camino. Aus dem Stadtpark heraus die Landstraße überqueren und dann geht es in einen anderen Park. Der ist so groß, dass ich gefühlt 1,5 Stunden brauche, um ihm zu überqueren. Menschen sitzen hier gemeinsam mit ihren Familien und Verwandten, grillen, trinken Wein. Die Jungen spielen Fußball, die Mädels tun eben das, was Mädchen eben so tun. 

Der Geruch von dem gerillten Fleisch und das Bild welches sich mir zeigt, erinnert mich total an meine Kindheit. Da haben wir sowas oft gemacht. Wir sind mit meinen Eltern und Geschwister nach Bingen. Dort haben wir mir anderen Familien gemeinsam gegrillt gegessen, die Jungs haben Fußball gespielt und die Mädels eben das getan, was sie immer so tun. Wieso machen wir sowas eigentlich nicht mehr? Damit meine ich aber nicht, dieses grillen zuhause im Garten, nein genau so wie früher als ich noch ein Kind war. Wenn ich wieder in Deutschland bin werde ich das mal organisieren müssen.

In diesem großen Park gibt es auch einen See. @Marco... sorry Kumpel, dafür das ich die letzten Jahren nicht die Zeit finde, um mit dir angeln zu gehen. Ich gelobe Besserung. So jetzt raus aus den Park, ich bekomme langsam Hunger von den leckeren Gerüchen. Die Sonne brennt mittlerweile und die Füße auch. Kurz vor Navarrete geht es mal wieder nur Berg auf. Aber auch das kann mich nicht aus der Bahn werfen. Es ist ein toller Tag heute und das bleibt auch so. In Navarrete direkt zur öffentlich Herberge. Gebe heute keine 24€ für ein Zimmer aus. Vor der Herberge die Enttäuschung, alles voll.

Nicht schlimm, dann eben zur nächste Albergue das gleiche Spiel. Es darf doch nicht war sein. Was machen die Leute den erst in der Hauptsaison??? Und wo kommen die den jetzt überhaupt alle her??

Ruhe bewahren und Handy benutzen. Google lotst mich zu einer Herberge. Die junge Dame hat nur noch ein Doppelzimmer und will dafür 45€ die Nacht. Danke nein, dann gehe ich lieber nochmal 7km ins nächste Ort. Wobei ich eh schon ne Weltreise durch den Ort gemacht habe. Auf Booking gibt es noch ein Zimmer für einen 10ner. Reserven und gleich hin. Die Herberge ist fast am Ortseingang, da war ich schon mal. Mittlerweile ist es 17:30 Uhr und meine Füße bringen mich echt um. An der Unterkunft angekommen macht mir ein kleiner ok warte, ein ganz kleiner die Tür auf. Zimmer bezahlen und was essen. Denkste, der Herbergesvater erklärt mir, dass er so viel mit den Reinigungen der Zimmer zu tun hatte, dass er nichts gekocht hat. Sie Cafés und Bars wären ja gleich um die Ecke. Klar um die Ecke. Ok aber ich will ja was essen und diskutiere  bringt nix. Schnell duschen und Essenfassen. In einer Bar, in der man echt toll draußen auf der Terrasse sitzen kann, bietet Paella für 5€ an. Ich liebe gute Paella. Dazu noch ein großes Radler und gut is. Nach dem Essen noch in den Laden gegenüber, Wasser, Gatorade und ein Donut als Nachtisch. Danach zurück und am Blog schreiben, denn heute habe ich vieles zu berichten. 00:05 Zeit zum Schlafen.... buenas noches amigos

 

 

Hin und wieder verpasst Dir das Leben eine Platzwunde, dann klebt man ein Pflaster drauf und weiter gehts .

Samuel L. Jackson in Hitman's Bodyguard