06.05.19
Navarrete - Azofra 23,5km
Um 11:30 Uhr, nach 23,5km ist für heute Schluss. Nicht das ich nicht noch könnte aber es kein Wettkampf und zu dem bin ich als zweiter in der öffentlichen Herberge in Azofra. Hier bekomme ich definitiv einen Platz. Wer weiß wie es in 8km entfernten Ort aussieht. Ich sehe es mal als ein Entspannungstag an. Die 46km von gestern, merke ich heute schon ein wenig in den Knochen. Der Weg von Navarrete hierher war zum Glück nicht besonders anspruchsvoll. Nur was mich langsam echt ankotzt, sind diese f...... Schotterpisten. Ich glaube echt, dass die jedes Jahr tonnenweise Schotter auf die Wege verteilen, damit es die Pilger nicht leicht haben. Ich wette die machen das genau so. Die den letzten 11km des heutigen Weges, bin ich mit einer Frankokanadiern gegangen. Sie hat vor kurzem ihren Bachelor gemacht und möchte noch etwas von der Welt sehen, bevor sie sich ins Arbeitsleben stürzt.
Sie ist echt smart und weiß was sie im Leben nicht möchte. Ich schon krass wie schnell Menschen sich hier auf dem Camino öffnen und ihre Geschichte erzählen. Also wir in Azofra ankommen, verabschieden wir uns und jeder geht wieder seines Weges. Meiner Weg führt mich in die Herberge Albergue de Peligrinos. Außer mir ist nur noch eine ältere Frau da. Erst dachte ich, sie arbeitet hier aber es stellt sich heraus, dass sie auch eine Pilgerin ist. Es ist eine sehr schöne Herberge in der sich in der Mitte des Innenhofes ein Brunnen befindet. Da werde ich später definitiv meine Füße reinhalten und abkühlen lassen. Würde mich aber nicht wundern, wenn dann im Anschluss kein Wasser mehr da ist, weil alles verdampft. Die Alberque öffnet erst in einer Stunde, also habe ich noch etwas Zeit. Erst mal Rucksack ablegen, Schuhe aus. Zwei Stühle zusammenziehen und Beine hochlegen. Die warme Sonne brutzelt mir auf den Pelz. Ist das ein Leben, wow. Gut auf die innere Stimme gehört zu haben. Intuition, ich sollte viel mehr nach meiner Intuition handeln. Das erinnert mich an ein Buch, welches ich gelesen habe“ Saarland-Santiago“ in dem Buch beschreibt eine junge Frau ihre Geschichte. 2300km auf dem Jakobsweg. All ihre Entscheidungen überlässt sie ihrer Intuition. Klasse Buch Maike, habe es gerne gelesen.
Langsam trudeln noch ein paar Pilger ein, die auf der Suche nach einem Nachtquartier sind. Hier gilt das Prinzip, wer zuerst kommt, schläft zuerst. Ein Fahrer bringt neue Lieferungen für die Herberge und ganz Gentleman wie ich bin, helfe ich der Herbergsmutter die Sachen reintragen. Danach wieder Füße hochlegen. Um 12:40 Uhr öffnen sich die Türen und die täglichen anstehenden Rituale für Aufnahme in die Herberge stehen an. In jeder Herberge werden die persönlichen Daten aufgenommen. Name, Herkunft, Passnummer usw. Hintergrund ist der, dass wenn ein Pilger mal vermisst wird, kann man die Suche auf bestimmte Orte eingrenzen. Gute Sache wie ich finde. Ich bekomme Zimmer 1b. Nach dem Einchecken muss ich unbedingt mal ein paar Sache waschen, gestern kam ich ja nicht dazu und ich fühle mich besser wenn ich keine Dreckwäsche mitschleppe. Alles schön mit der Hand waschen. Ich werde noch zum super Hausmann. Als ich so am waschen bin kommt die Herbergsmutter zu mir und meint“ hier im Kühlschrank ist Salat, nimm es dir. Hier sind noch Spagetti und da noch Tomatensoße und Olivenöl. Nimm was immer du brauchst, schnell schnell, bevor andere das sehen“ Wow und das alles nur, weil ich ihr beim Tragen geholfen habe. Ok, cool dann werde ich wohl mal nach dem Waschen was kochen müssen. Ein leckeres Pilger Menü. Spagetti mit Tomatensoße! Die, die mich kennen, hören gerade die Ironie. Ich und Tomatensoße, Soße ohne Fleisch, aber heute wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Aber erst mal die nassen Klamotten aufhängen. Es ist so geil warm draußen, da werden die Sachen ratz fatz trocknen. Zurück in die Küche und das Mittagsmahl zubereiten. Ich knalle alles in die Soße, was ich so in den Schränken finde. Später werde ich merken, dass ich mit den kleinen roten getrockneten Peperoni hätte etwas sparsamer umgehen müssen. Die Soße ist mega scharf geworden. Egal rein damit, schmeckt lecker. Dach der scharfen Soße, brauche ich kein kaltes Radler. Ich habe in der Mitte des Dorfes ein hübsches kleines Café gesehen, wo man auch draußen sitzen kann. Schnell duschen und dann in das Café. Dort treffe ich auf Paula aus Köln und Maria aus der Pfalz und einem jungen Mann, dessen Namen ich vergessen habe, sorry Kumpel. An dem Tisch sitzen Leute aus Herrenländern. Jakob aus den USA, noch ein paar andere deutsche, die aber bald weiterziehen. Ein Vater und Tochter Gespann auch aus den Staten und eine junge Dame aus Dänemark. Crazy, wie der Camino die Menschen verbindet. Maria habe ich gestern beim Einkaufen in Navarette kennengelernt. Sie erzählt mit heute, dass das ihr 3. Camino ist. Unfuckingfassbar, sie ist erst 22. und so strong. Hätte ich ehrlich gesagt nicht von ihr erwartet. Paula hatte keinen guten Start. Sie ist von Pamplona aus gestartet und sich direkt am ersten Tag zwei Blasen an den Fersen zugezogen. Beim Abziehen der Blasenpflaster, hat die die komplett Haut mit abgezogen. Zum Glück traf sie auf das Vater Tochter Gespann auf den USA. Sie haben sie bandagiert und ihr gut zuggesprochen. Ohne die beiden, wäre der Camino für sie vielleicht schon beendet. Ich unterhalte mich noch eine Weile mit ihr und finde es großartig welche Pläne sie für ihre Zukunft hat. Pädagogin für behinderte Kinder. Meinen Respekt an alle dies Menschen, die das machen, denn ich glaube, dass das nicht nur ein Beruf ist, nein vielmehr eine Berufung.
Heather und Luis von unserem „Team Camino“ treffe ich hier heute wieder. Nach zwei Bieren gehts in die Alberque etwas ausruhen. Ich teile mein Zimmer heute mit Deanizio 71 aus Brasilien. Seit seiner Kindheit, ist es sein Traum den Camino zu gehen. Er war schon fast überall auf der Welt aber jetzt erst hier und fühlt sich bereit dazu. Er erzielt mir von Irma die er getroffen hat. Sie sei 84 und läuft den Jakobsweg zum 24. Mal. Unglaublich, aber ich kann schon mal vorwegnehmen, es stimmt. Ich werde morgen auf Irma treffen und mich kurz mit ihr unterhalten.
Zeit fürs Abendessen. Um 18 Uhr treffen wir uns alle wieder in dem Café. Hier hinter das Pilger Menü für 11€ als Vorspeise nehme ich Makkaroni, Hauptspeise typisch spanische Cordon Bleu, zum Nachttisch ein Eis, zum Essen gibt es Wein. Richtig guter Rotwein aus der Region. Ich glaub, ich werd auch noch ein Sommelier. Ein Hausmann der zuhause die Weine testet.
Es ist eine Sache den Jakobsweg tagsüber alleine zu gehen, aber das abendliche Zusammensitzen ist mega.
Als es zum Bezahlen geht, frage ich ob, on ich auch spülen kann statt zu bezahlen. Die Chefin wollte mich gleich dabehalten und nicht nur einen Abend. Ok doch lieber schnell bezahlen und raus. Naja ein Bier geht dann doch noch aber dann gehts zurück in die Herberge. Heute Nacht werde ich mit langer Hose schlafen, es ist so verdammt kalt. Im Zimmer ist schon mein Zimmerkollege Deanizio. Er liegt im Schlafsack und ruht sich aus. Ich kann es nicht glauben, dass er wirklich 71 Jahre ist, dafür sieht so fit aus. Er erzählt mir über seine Kindheit und darüber wie arm seine Familie war. Keiner hat den Kindern in seiner Gegend große Überlebenschancen gegeben. Männer hatten dort eine Lebenserwartung von 45 Jahren, Frauen von 50 Jahren. Es gab kein fließend Wasser und das Essen war knapp. Zur Schule musste er Kilometer weit laufen und es gab kein Englisch Unterricht für arme Kinder. Er brachte sich die englische Sprache selbst bei, in dem er die Bücher von den reichen Kids erwarb. Trotz all dieser Umstände, wurde aus ihm ein Englischlehrer und er konnte die Welt bereisen. Ich liege auf meiner Matratze und höre ihn total gebannt zu. Irgendwie erinnert mich seine Geschichte an die meiner Eltern. Auch sie haben aus nichts, etwas aus ihrem Leben machen können. Meine Mutter erzählt mir heute noch davon, dass sie als Kind barfuß rumgelaufen ist, weil ihre Eltern kein Geld hatten für Schuhe. Mein Großvater hat sie wenn sie sich dann an den Füßen geschnitten hat gesagt“ mein Liebling, sobald ich das Weizen verkauft habe bekommst du von mir ein paar Schuhe“ Heutzutage gar nicht mehr vorstellbar. Gerade ich, der Typ mit 70 paar Schuhen im Schrank. Deanizio erzählt mir auch noch, dass er an die Wiedergeburt glaubt. Menschen leben immer und immer wieder. Er war mal mit seiner Frau in Paris und ist sich sicher dort mal gelebt zu haben. Ich sollte mir mal die Frage stellen, warum eine Familie mit mehreren Kinder obwohl sie alle die gleichen Eltern haben, so unterschiedlich sind. Weil nach seiner Theorie, sie schon mehrmals gelebt haben. Der Körper ist ein neuer aber die Seele ist die Alte geblieben. Stellt euch mal diese Frage und in diesem Sinne,
buenas noches amigos
One life is to be short for being perfect
Deanizio from Brazil