Tag 12

11.05.19

 

Hontanas-Villarmentero de Campos 44km

 

Kimmi und Kirsten haben immer so schnell gepackt, bei mir dauert das immer etwas länger. 6:30 Uhr, noch gemeinsam einen Kaffee trinken bevor wir uns wieder auf den Weg begeben. Ich ziehe mir die Kopfhörer auf und lass die zwei mal für ne zeitlang alleine. Wenn ich die Musik auf den Ohren hab, bin ich viel schneller unterwegs und heute läuft es mal wieder also lass ich es laufen. Auf den Körper hören und nicht den Verstand. Einfach alles abschalten und gehen. Die ersten 9km nach Castrejeriz sind schnell gegangen. Auf dem Weg in Richtung Itero del Castillo treffe ich Christian 56 aus Rumänien. Ich hatte schon mal kurz über ihn geschrieben, damals in den Pyrenäen. Als mich Kimmi fragte, ob man hier oben Golf spielen kann, sie hätte jemandem mit einem Golfbag gesehen. Es war kein Golfbag nein es war Christian mit seinem umgebauten Gepäckträger. Was wir damals nicht wussten, Christian hat ein Rückenleiden und darf nichts schweres heben. Bis vor zwei Jahren noch, hatten ihm auch die Ärzte nie mehr gerade gehen kann. Er konnte kein Tennis, kein Judo und auch sonst keiner seiner Hobbies mehr nachgehen. Die einzige Sportart, wozu ihm die Ärzte rieten, war schwimmen. Also tat Christian genau das. Durch das Schwimmen baute er die Muskulatur im Rücken auf und konnte peu à peu seine Wirbelsäule begradigen und wieder aufrecht gehen. Für ihn ist der Camino besonders wichtig, es ist ein wenig so, als wolle er etwas zurückgeben. Es ist eine Sache mit 10kg Gepäck auf dem Rücken den Jakobsweg zu gehen und ein ganz anderer 25kg Gepäck hinter sich herzuziehen. Über jede Art von Piste um das nicht zu vergessen. Asphalt haben wir nur ganz wenig auf dem Camino Santiago. Meinen alle größten Respekt vor diesem Mann. Irgendwann bleibt er für eine kurze Pause stehen und mich zieht es weiter nach Itero del Castillo. Zwischendurch gibt es einen Kaffee to go und ein Sandwich mit Schinken. Meine Pace ist gut und Joe schreibt mir, dass sie in Villarmentor de Campos 5 Betten reserviert hätten, sprich für Joe, Kieran, Thorsten, Heather und mich. Fuck, das wären 44km heute. Die vier sind Vorgestern 9km gegangen als der Rest von uns und jetzt sind sie gerade mal 1,4km vor mir. Auch wenn ich das eigentlich nicht möchte,wird irgendwie eine Challenge daraus. Hole ich sie ein oder nicht. Ich muss dazusagen, wenn mir etwas wehgetan hätte, dann hätte ich mich nicht darauf eingelassen. Aber es läuft. Den Typen vor mir kenn ich doch, denk ich mir so als ich mitten auf der Landstraße laufe. Und tatsächlich er ist es. Seinen Namen habe ich nicht verstanden (nur das er aus Polen ist)aber ich habe ihn am Mittwoch in der Herberge getroffen. Im ersten Moment als ich in in der Herberge traf, war ich wie geschockt. Er sieht aus wie der Vater meines besten Freundes. Mir war natürlich klar, dass er es nicht sein kann aber trotzdem. Ich hatte ihn damals gefragt ob ich ein Foto mit ihm zusammen haben könnte aber er lehnte ab. Ich erzählte ihm, dass er so aussehe wie der Vater meines besten Freundes und zeigte ihm ein Foto. Er war selbst kurz baff und sagte“ oh that’s me“ und willigte für das Foto ein. Und jetzt treffe ich ihn wieder, drei Tage später im nirgendwo. Auch er hat noch eine tolle Geschichte parat, die er mir am Mittwoch nicht erzählt hat, denn er war in den 80‘ Jahren in Deutschland und traf dort auf eine Frau, die aussah wie seine Mutter. Er ging zu dieser Frau und sprach sie an mit“ hallo Mutter“ die Frau dachte wohl, dass er einen an der Klatsche hat und ging weiter. Kuriose Geschichte aber who knows. Auch von ihm muss ich mich verabschieden den ich habe heute eine Mission. Kurz vor Fromista geht der Jakobsweg an dem Canal de Castilla entlang. Der Canal de Castilla (Kastilischer Kanal) im nördlichen Zentralspanien wurde im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert gebaut und war eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte seiner Zeit in Spanien. Er gilt als ingenieurtechnische Meisterleistung.

Der durchschnittlich etwa 8 m breite Kanal sollte den Getreidetransport von Kastilien  in die Hafenstädte der Nordküste vereinfachen, Getreidemühlen antreiben und als Hauptbewässerungsader der landwirtschaftlich genutzten Flächen der Region Tierra de Campod in Kastilien dienen. Seit dem Aufkommen der Eisenbahn blieben ihm nur noch die beiden letztgenannten Funktionen. In Fromista habe ich es dann geschafft, ich habe die vier eingeholt. Wenn ich jetzt alleine gewesen wäre, hätte ich hier Schluss gemacht für heute. So gehe ich dann auch noch die restlichen 9km bis nach Villarmentero de Campos. In dem Örtchen mit nur 16 Einwohnern angekommen fühle ich mich wie auf einem Bauernhof. Hier laufe Esel, Ziegen, Schafe, Hühner und Gänze frei herum. Der 

Junge Mitarbeiter und vermutlich zwei junge Gäste aus den USA sitzen draußen und drehen einen Joint. Wow, wo sind wir denn hier gelandet? „ kommt erst mal rein, werft eure Sachen irgendwo hin und chillt erstmal“ so werden wir in der Albergue begrüßt. Ok es definitiv eine Hippie Herberge. Kiffen scheint hier an der Tagesordnung zu liegen. Für 6€ das Bett und 11€ das Pilger Menü ist mir das aber auch ziemlich egal. Ich unterhalte mich mit dem jungen Mitarbeiter und er erhält, dass er aus Deutschland kommt 20 ist und seit 1 1/2 Wochen hier in der Albergue versackt ist, denn eigentlich sei er auch auf dem Jakobsweg unterwegs. Ich überlege kurz ob das auch was für mich wäre. Den ganzen Tag kiffen, Bier trinken und dann mit dem Rasenmähertraktor durch die Gegend zu fahren.......klingt verlockend aber ich geh dann doch morgen lieber weiter. Alle Tiere sind handzahm und werden hier auch gut behandelt. Ok hin und wieder wird mal ein Huhn wohl den Weg in den Ofen finden aber ist das auf Bauernhöfen nicht normal? Nach dem Duschen und Wäschewaschen gehts am Ende des Ortes in ein Hotel. Ja ganz richtig gelesen. Der Ort hat 16 Einwohner und ein Hotel. Vermutlich arbeiten alle in dem Hotel. Dort essen Kieran und Thorsten spanische Toastbrote, wir anderen trinken nur ein Bier bzw. ich zwei Radler. Wir sitzen draußen auf der Terrasse des Hotels und  die Sonne brennt mal wieder, morgens arschkalt und nachmittags knallt die Sonne. Wenn die scheiss Mücken nicht wären, könnte man es hier sehr gut aushalten. Sollte man aber auch denn hier im Hotel kostet das Zimmer 50€ die Nacht ohne Frühstück wohl bemerkt. Dann lieber für 6€ ein Bett in der Herberge. Wo es dann auch gleich wieder hingeht. Einfach noch etwas „chillen“ und die Tiere beobachten. Ich zieh mich etwas zurück um mein Blog zu aktualisieren. Ist doch aufwendiger als ich erwartet habe. So viel Text in ein Handy einzutippen. Ich bin selbst mal gespannt wenn ich es zuhause lese. Aktuell wird nur eingetippt ohne Korrektur, genau so wie ich es empfinde.

Es ist 19:30 Uhr Abendessen. Unser verpeiter Freund weist uns ein. Auf dem  Tisch ist reichlich für alle. Ich glaube die Chefin hat für das ganze Dorf gekocht. Es gibt Salat, Bohnen, Kartoffelneintopf mit spanischen Würsten, Linsensuppe und zum Schluss kommt noch etwas spezielles, ein gebratenes Hühnchen. Speziell? Vermutlich eines von den Hühnern hier vom Hof. Eingelegt in einer Hanfsosse? Nein war sie natürlich nicht!

Die Chefin kommt zu uns an den Tisch und nötigt uns dazu etwas zu essen. Wir hätten ja gar nichts gegessen“ venga venga come por favor“ ok bevor sie mich schlägt nehme ich noch was von dem Eintopf. Wahnsinn was die hier für einen Service anbieten. Wasser, Wein und das Brot werden immer gleich ausgefüllt. Zum Schluss gibt es noch reichlich an Obst. Wer will kann es sich auch für den nächsten Tag einpacken. 

Abends wird es immer frisch und so schlafe ich nur noch mit einer langen Wanderhose. Während ich im Bett liege und schreibe sind schon alle wieder eingeschlafen. Unter mir im Bett liegt Thorsten und er...... ratet mal? Ja er schnarcht. In der Nacht in Ages, als uns Kollege Schnarchnase auf Trapp gehalten hat, lag Thorsten im Bett unter ihm. Vielleicht ist von ihm mit der Schnarchkrankheit angesteckt worden. 

Oder er hat vorher schon geschnarcht und man hat es nur nicht gehört, weil Schnarchnase alles übertönt hat. Wir werden sehen, wie die Nacht wird. In diesem Sinne buenas noches amigos.

 

 

Ich habe immer gedacht, die Zeit wäre ein Dieb, die mir alles stiehlt, was ich liebe. 

Aber jetzt weiß ich, dass sie geben, bevor sie nehmen und jeder Tag ist ein Geschenk. 

alice-im-wunderland