Tag 15

14.05.19

 

Sahagun- Puente Villarente 43km

 

Fuck war das kalt heute Nacht. Trotzdem ich mit langen Klamotten geschlafen habe. Die Decken, die in den Herbergen liegen benutze ich nicht, dann friere ich lieber. Die sehen alle so aus, als wären sie schon genau so alt wie es die Herbergen gibt. Möchte nicht wissen, welches Ungeziefer sich in den Decken eingenistet hat. Komm noch einmal rumdrehend und bis 7 Uhr schlafen. Upps vergessen Wecker auf stumm zu stellen, sorry Joe.

Den interessiert das reichlich wenig, er dreht sich rum und pennt einfach weiter. Kann er ja auch, die Post öffnet erst in eineinhalb Stunden. Leise packe ich meine Sachen gib meinem Kumpel noch ein Hug und juhu ihr Schotterpisten, ich komme. 

Raus auf der schönen Stadt Sahagun deren Namen sich im übrigen aus Sanctus Facundus zusammen setzt. Ihr fragt euch jetzt.... was? Wie geht das denn? Fragt einfach Google. Ich werde das hier jetzt nicht weiter erläutern. Irgendwann nach gefühlten 8-9 km kommt es zu einer Gabelung der Stecke. Es gibt eine Alternative Route. Wer braucht den so ein Mist jetzt? Und es kommt wie es kommen muss, ich verlaufe mich zum ersten Mal. Schön 20 Minuten in die falsche Richtung. Danke für die Alternative Route ihr Ar.......

40 Minuten meines kostbaren Lebens verdummbeutelt. Anruf von Joe, sein Rucksack ist jetzt 5kg leichter und er ist auf dem Weg. Hoffentlich hat er die zweite Badehose nicht weggeschickt, vielleicht brauche ich die ja nochmal. Ich sag ihm auch gleich, welchen Weg er gehen soll, bevor er sich auch verläuft.

Am Ortsausgang von Bercianos del real Camino treffe ich auf Cassie aus Australien, sie ist 29 und Lehrerin in einer High School und unterrichtet dort Italienisch und Geschichte. Wir stehen beide an einem Haus und wollen ein Foto von dem toll verzierten Zaun machen. Auf dem Zaun sind (in vermutlich in mühseliger Handarbeit erstellte) kleine Männchen aus Metall angebracht. Schöne kleine Mannekens. Mir fällt auf das Cassie Sandalen an hat, ist dann natürlich gleich meine erste Frage an sie” darf ich fragen warum du in Sandalen läufst? da hast du ja an dauernd Steine unter den Fusssohlen“. Sie hat sich am ersten Tag Blasen zugezogen und konnte in ihren Schuhen nicht mehr gehen. Auf meine Frage, ob sie die Schuhe vorher eingelaufen hat, lächelt sie und Antwort nur ganz knapp mit einem „nein“ das sollte man aber vorher, denke ich mir nur und ich glaub sie ahnt auch was ich denke. Cassie ist seit über 3 Woche unterwegs, sie macht sich aber absolut keinen Stress. Ihren Rucksack schickt sie vor und sie läuft nicht mehr als 20km am Tag. Wenn ich bloß auch so easy going drauf wäre, obwohl.... ich habe es ja selbst in der Hand was ich tue. In El Burgo Ranero gibt es für die geschundenen Füße und Beine eine kurze Verschnaufpause. In einem Café bestellet Cassie sich ein belegtes Baguette und einen frischgepressten O-Saft, ich nehme nur einen Kaffee mit Milch und Zucker. Die Bedingung fragt mich ob ich aus Italien komme, denn ich würde aussehen wie einer. Genau das hat Cassie auch gesagt, „nein“ sag ich“ ich bin waschechter deutscher“ das ist jetzt etwas geschwindelt aber ein bisschen Spaß darf man ja machen. Tatsächlich denken viele, ich sei Italiener, für einen Deutschen nur die wenigsten. Vermutlich kann sich halt keiner vorstellen, dass ein Türke diesen Weg geht. Warum eigentlich? Muss ja nichts mit der Religion zu tun haben. Ich such mal auf Google, es muss doch noch mehr Türken geben, die den Weg gegangen sind. Also tippe ich mal „ Türke Jakobsweg“ in Google ein. Ergebnis: eine Katharina Türke, die den ganzen Weg in 14 Tagen meistern möchte und meine Hackfresse. Ok, hat nix zu heissen, es wird bestimmt noch welche geben, schließlich gehen jedes Jahr tausende von Menschen diesen Weg. Cassie hat ihr Baguette gegessen und wir gehen gemütlich weiter in Richtung Reliegos. Dort möchte Cassie übernachten, Joe im übrigen auch. Er hat mir seinen Standort gesendet und ist aktuell 1.4km hinter uns. Entweder war ich heute echt langsam oder die 5kg weniger Gepäck haben meinen englischen Freund beflügelt. Als die junge Australierin dann noch langsamer wird, weil ihre Blase am Fuß wohl aufgegangen ist, verabschiede ich mich von ihr. Sie setzt sich unter einen Baum und wartet bis die Wunde trocknet. Dabei kann ich ihr beim besten Willen nicht helfen. Langsam schlendere ich weiter so das Joe mich einholen kann. Und da ist er dann auch. Die letzten 10km bis nach Reliegos können wir gemeinsam gehen. Nur irgendwie habe ich ein leichtes ziehen am rechten Schienbein. Es kommt und geht aber wenn es da ist, tut es verdammt weh. Also wenn ich am Ortsschild von Reliegios kein Schmerzen habe, gehe ich noch 6km weiter in den nächsten Ort, wenn ich Schmerzen haben sollte bleib ich bei den Anderen in Reliegos. Am Ortsschild habe ich keine Schmerzen also gehts weiter für mich. Ich verabschiede mich von Joe und geh weiter nach Mansila de Las Mulas. Auf dem Weg dahin werden die Schmerzen immer schlimmer. Jetzt ist es ein Dauerschmerz nicht mehr sporadisch. Ich bin froh wenn ich in Mansila bin. Der Weg zieht sich wie Kaugummi und zudem ist es noch so warm. Der Schotterweg führt entlang der Schnellstraße und die Autos machen einen Lärm ohne Ende. Bin froh wenn ich gleich die Füße hochlegen kann. 

Hätte ich mal besser auf meinen Kopf gehört und wäre in Reliegos geblieben, aber es ist wie es ist. Bin ja gleich da. Endlich, das waren lange 6km. Rein in die erste Albergue, auf dem Schild steht, das alle Betten belegt sind. Gut, kein Ding gibt ja noch 2 hier in dem Ort aber auch die sind alle belegt. Fuck.... was muss ich auch auf meine Intuition hören? Konnte ich nicht einfach in Reliegos bleiben? Wer kam den auf die scheiss Idee, auf seine innere Stimme zuhören. Das klappt vielleicht bei Maike, sie ist ja auch gläubig. Nächstes Mal, bitte auf den Kopf hören, du Penner. Jetzt muss ich nochmal 7km mehr gehen und mein Bein tut verdammt weh. Wenn in Puente Villarente auch nix frei ist, ziehe ich es durch, dann gehe ich bis nach Leon, egal wie groß die Schmerzen sind. Auf der Anzeige über der Apotheke werden 36 Grad angezeigt. Hab ich mir den besten Tag rausgesucht um Kilometer zu schrubben. Noch eine Pille in den Kopf und durchziehen. Ich muss wegen den Schmerzen ständig Pausen einlegen. Die Sonne brutzelt mir aufs Hirn aber um 18:30 Uhr bin in dann endlich in Puente Villarente und die erste Herberge gehört mir. Zum Glück ist hier auch noch was frei. Hier treffe ich auch auf ein deutsches Trio. Sie bitten mich an ihren Tisch und bieten mir etwas zu Essen an. Vielen Dank aber ich mag heute nix mehr essen erwidere ich. Ich will nur duschen und die Beine hochlegen. Später nach dem duschen geselle ich mich dann doch noch an den Tisch. Die Damen sind in der Herberge nur Jan sitzt noch draußen. Jan ist quasi mein Nachbar. Er kommt aus Ingelheim. Das sind gerade mal 25km von mir entfernt. So klein ist die Welt. Ich brauche gar nicht zu fragen wo er arbeitet, denn wie wohl die meisten Ingelheimer arbeitet er bei Boehringer oder viel mehr hat gearbeitet. Jetzt macht er den gleichen Job wie ich, bei einem Pharmaunternehmen in Sobernheim. 

Da ist man so weit weg von zuhause und trifft immer wieder einen aus der Heimat. 

Heute Nacht teile ich mir das Zimmer mit einer Koreanerin und einen Ami. In dem Raum stehen 10 Betten, es sind aber nur 3 belegt. Ich glaube, der andere Raum gegenüber ist voll. Hoffe der Ami schnarcht nicht. Leides Thema. 

Wie ich im Chat mitbekomme, geht es Heather nicht gut, vermutlich was schlechtes gegessen. Ich hoffe, dass sie bald wieder fit ist. Joe ist bei ihr und passt auf sie auf. Guter Mann. Genug für heute, ich bin froh nicht noch einen Sonnenstich bekommen zu haben. Noch das Bein eincremen und dann die Äuglein zu. Morgen gehts nach Leon. Nein wird nix mit Augen zu, ich möchte mir für 2 Tage ein Apartment mieten. Ich brauche einen Relaxtag in Leon. Kann meinen Bein nicht schaden. Morgen Abend gehts dann hoffentlich in Leon steil. Wir werden sehen und ich werde berichten. In diesem Sinne buenas noches amigos.

 

 

We Can't learn without pain.

Aristoteles