Tag 18

17.05.19

 

Leon-San Martin del Camino 26km

 

Ich mag nicht aufstehen! Also bleibe ich bis 8:30 Uhr liegen. Dann raus aus den Federn und Wohnung aufräumen. Zudem muss ich auch meinen Rucksack packen. All die gewaschenen Sachen zurück in die Tasche. Wird ein harter Tag heute. Mein Bein ist leicht angeschwollen und schmerzt. Bin mal gespannt wie weit ich damit komme. Alles einigermaßen aufgeräumt und sauber, also nix wie raus aus Leon. Es ist kaum was los im der Stadt, vielleicht ist es aber auch einfach noch zu früh. So schlendert ich fast ganz alleine durch Leon. Zugegeben bei dem Wetter wäre ich auch lieber in einer schönen warmen Wohnung. Es ist nass und unangenehm. Hier und da sieht man auch einen Pilger, aber ich denke, dass die meisten schon lange unterwegs sind und nicht so spät aus dem Haus wie ich. Die Strecke auf Leon ist nicht unbedingt die schönste, die ich bis jetzt gegangen bin. Schön entlang der Stadtautobahn. Nach ungefähr 1.5 Stunden bin ich dann raus aus Leon und den Vorort. Es geht immer schön bergauf was natürlich Gift für mein Schienbein ist. Und es kommt nach 10km so wie es dann auch kommen muss, nichts geht mehr. Mit jedem Schritt den ich mache, habe ich das Gefühl, dass ich ein Messer ins Schienbein gestochen bekomme. An einem Gartenhäuschen welches zu einem Café umgebaut wurde nehme ich einen Kaffee und wechsel den Verband. Oh man, vielleicht hätte ich lieber noch eine Nacht in Leon bleiben sollen. Noch einen Tag länger Ruhe für die Knochen. Ist jetzt halt so, muss das Beste daraus machen. Und ganz ehrlich, gerade hab ich das Gefühl, dass es wieder geht. Der Schmerz hat nachgelassen und ich kann wieder auftreten. Na siehst geht doch, von wegen noch einen Ruhetag, wer braucht den sowas? Hochmut kommt vor dem Fall. Keine 1000m später pulsiert mein ganzes rechtes Bein. Als würde mir bei jedem Schritt die Eingeweide rausgerissen. Ich schaffe es nicht mehr einen Fuß vor den anderen zu setzten so starke Schmerzen im Schienbein. Das war doch vorher nicht so schlimm, was ist bloß passieret? Komm jetzt, nochmal auf den Bürgersteig setzen und ausruhen. Entspann dich Vedat, denk ich mir. Aber ich muss es mir selbst eingestehen, das gibt heute keinen mehr. Dann ist das heute halt mal ein kurzer Tag. Wo war jetzt nochmal die Herberge? Etwa einen halben Kilometer zurück. No way, ich laufe doch nicht wieder zurück! Nach 2 km kommt noch eine Herberge, bis dahin hälst du durch. Ich kann in der Zeit an nichts anderes denken,nur an den stechenden Schmerz. Kurz vor der Herberge angekommen setzt die Wirkung der Ibu ein und anstatt meinen Hintern in die Herberge zu bewegen, gehe ich noch einen Ort weiter. Komm, solange es geht, wird es ausnutzen. Das ganze mach ich dann schlussendlich so oft, bis der Schmerz so stark ist und ich nicht mehr gehen kann. In San Martin ist es dann soweit. Ich hätte nicht damit gerechter,heute doch noch soweit gehen zu können. 26km mit dem Bein, Respekt. Heute Morgen dachte ich noch, nicht einmal mehr als 12 km zu gehen. Ich checke in der Albergue ein und man zeigt mir das Zimmer welches sich im Obergeschoss befindet. Im Zimmer selbst befinden sich 3 Etagenbetten, von denen so wie es aussieht 2 besetzt sind. Eines der zwei unteren freien Betten nehme ich. Die Duschen und Toiletten befinden sich im Untergeschoss. 

Jedoch möchte ich gerade nicht duschen, nur schlafen. Schlafsack raus, und so wie ich bin, einfach reinlegen. Mir fällt auf, dass die Etagenbetten gar keine Leiter besitzen. Ich frag mich, wie die teilweise doch sehr fülligen und erschöpften Pilger dort hoch klettern sollen. Erst mal nicht mein Problem denn ich habe ein Bett unten. Es dauert auch nicht lange und ich döse ein. Durch das Öffnen der Tür werde ich wach und eine erschöpfte Frau steht da. Sie sagt „hey“entschuldigt sich fürs Wecken. Ich grüße zurück und empfehle ihr ein Bett unten zu nehmen, da es für die oberen Betten keine Leiter gibt. Sie bedank sich ihrerseits für den Tipp und geht erst mal was essen.

Man bin ich im Arsch... die ganze Zeit nie großartig etwas wehgetan, keine Blasen und jetzt der Scheiß. Mein Körper hat die Handbremse angezogen, könnte vielleicht ein Zeichen sein. Und die härteste Etappe kommt ja erst noch. Also mal den Schongang einlegen und runterfahren. Im Zimmer sind jetzt auch eine Frau aus Brazilian und ein älterer Herr aus Italien. Zu guter Letzt kommt noch eine in Spanien lebende Rumänien ins Zimmer. Sie muss jetzt wohl oder übel ein Bett oben nehmen. Vielleicht macht sie es wie der Italiener und holt sich einen Stuhl. Ich bin froh, dass ich schon im Bett liege, als sie ihre Schuhe auszieht. Gut das es kein Geruchsblog gibt. Stellt euch mal bitte gerade „Handkäse mit Musik“ vor dann multipliziert ihr das ganze mal 100, das ist annähernd der Geruch ihrer Füße. Zum Glück geht sie gleich duschen und nimmt ihre Socken gleich mit. Nach einer Weile lässt dann auch das brennen in den Augen nach. Noch ein wenig ruhen bevor es zum Abendessen geht. Auch heute Abend wir für 10€ einiges aufgetischt. Gemeinsam mit einem chinesischen Paar welche in den USA leben, der Rumänien, einem Spanier, einer Brasilianerin und der Schwedin, die mich heute unabsichtlich geweckt hat, lassen wir den Abend ausklingen. Zur der lecken Paella werden noch ein paar Flaschen Rotwein geleert. Ihr denkt bestimmt jetzt, cool ist alles so easy, tagsüber gehen und Abend saufen, und ja recht habt ihr, alles easy hier. Probiertes einfach mal aus. Und falls Ihr Hilfe beim Leeren der Weinflaschen braucht, ruft mich einfach an. In diesem Sinne, buenas noches amigos.

 

In vino veritas „Im Wein liegt die Wahrheit“. 

Alkaios von Lesbos