18.05.19
San Martin del Camino-Murias de Rechivaldo 27km
Ich glaub, so gefroren wie heute Nacht hab ich noch nie. In dem selbst zusammen geschusterten Raum waren die Fenster nicht dicht und auch sonst hat gezogen wie Hechtsupp. Gut das zumindest noch Decken da waren. Normalerweise benutze ich die nicht, aber heute Nacht war es arschkalt. Kennt du das, du wachst auf und es ist so kalt, dass du dich in die warme Decke kuschelst und nicht aufstehst? Genau so war es bei mir. Einer nach dem Anderen verlässt das kalte Zimmer, bis ich ganz alleine da liege. Mein Bein muckt erst mal nicht. Erster Blick drauf, es ist leicht geschwollen, genau wie die Füße. Wegen den geschwollenen Füßen, die hier wohl jeder hat, soll man auch seine Wanderschuhe mindestens eine Nummer größer kaufen. Jetzt habt ihr wieder was fürs Leben gelernt.
Früher oder später muss ich doch raus, also komm Vedat, raus jetzt. Nachdem ich mich dann endlich fertig gemacht habe und draußen in der Kälte stehe, ziehen auch schon die Pilger an mir vorbei. Alle schön warm eingepackt. Es ist echt verdammt kalt, sodass ich auch zumindest meine Handschuhe anziehe.
Gegen die Kälte hilft nur Warmlaufen. Immer schön vorwärts Richtung Santiago.
Heute ist der 18.05. morgen hat meine Tochter Geburtstag und das erste Mal in der Geschichte, dass ich sie an ihrem Geburtstag nicht mit einem Kuchen und einem Geburtstagslied wecke. Daran muss ich schon seit Tagen denken aber es ging leider nicht anders. Es war von der Arbeit her am besten planbar und im Hochsommer wollte ich den Weg definitiv nicht gehen. Es tut mir leid mein Liebling, ich hoffe eines Tages wirst du das verstehen. Da unser Team Camino mittlerweile etwas verteilt ist, aber alle Leyla gratulieren möchten, senden sie mir ein kurzes Video, indem sie für sie singen und alles Gute wünschen. Tolle Geste Freunde, danke darüber wird sich meine Tochter bestimmt ganz doll freuen. Nach etwa einer Stunde gehen setze ich mich in ein Café, denn mein Bein schmerzt und ich möchte was frühstücken. In dem Café treffe ich auf Maria aus Schweden. Mit ihr hatte ich gestern das Zimmer geteilt und auch gemeinsam zu Abend gegessen. Jetzt frühstücke ich auch noch mit ihr. In den meisten Köpfen rattertet es schon wieder, aber Leute..... bedenkt bitte..... man geht jeden Tag zwischen 20-30 km heißt du triffst dich irgendwann wieder, wohl oder übel. Egal also weiter im Text. Ich bestelle mir einen Kaffee mit Zucker und ein Schokobrötchen und wir unterhalten uns über die Albergue. Auch sie hat heute Nacht gefroren wie Sau, erzählt sie. Bevor sie gestern in die Herberge kam, in der ich auch war, war sie in einer anderen, da ist sie aber rückwärts wieder raus. Es sah aus wie in einem Gefängnis, „da konnte ich nicht bleiben“ sagt sie. So ist es halt mit den Herbergen, es gibt welche für 5€, die sind total mega und dann andere, da bezahlst du 15€ und bist froh, ohne Krankheiten rauszukommen. Wer es sich leisten kann, sollte sich ein Hotelzimmer nehmen. Ich persönlich würde es aber nicht tun. Ich finde es gehört einfach alles dazu. Ab und an mal ein bisschen Privatsphäre ist aber schon ok. Und mit Freunden ein Apartment teilen auch. Jeden Tag ein Hotel, nein.
Maria ist im übrigen 47, Headhunter, hat jede Menge Mitarbeiter, und ist ein Workaholic. Nach dem Frühstück gehen wir gemeinsam weiter. Wir passieren Hospital de Orbigo welches seinen Namen im 16 Jahrhundert vom Ritter des Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalemund verliehen bekam. Auf dem Weg nach San Justo de la Vaga müssen wir nochmals einen steilen Berg hoch bevor es in Richtung Astorga geht. Mitte im nirgendwo stehen wir plötzlich wie in einer Oase. Hier an diesem Ort wo man eher nichts erwartet, haben drei, ich würde sie mal als Aussteiger bezeichnen, eine Wohlfühleoase errichtet. Es gibt verschiedene Sitzmöglichkeiten, Kaffee, Tee, Eintopf, Wasser, Obst und whatever.
Hier machen wir uns es für eine kurze Zeit gemütlich. Auch Maria hat ihre Geschichte warum sie hier ist aber auf die werde ich diesmal nicht eingehen. Nur soviel, sie hatte ein leichte Los. Wir trinken gemütlich einen Kaffee und essen einige Kakaobohnen. Kann ich gleich dazusagen, Kakaobohnen ist nicht meins. Von hier aus sind es vielleicht noch 2 Stunden bis Astorga. Mein Bein macht den ganzen Tag schon auf sich aufmerksam. Alle 5 Stunden ne IBU, ohne geht nicht. Kurz vor Astorga treffen wir dann auch noch auf Skye. Von weitem sieht sie wie ein Kind aus aber als sie immer näher kommt, erkenne ich sie. Bambi is back. Wir umarmen uns ganz herzlich mit Küsschen links und rechts. Ist wie Monate her als wir uns das letzte Mal gesehen haben, dabei sind es gerade mal 1 1/2 Wochen her. Ich stelle die Mädels einander vor und beide scheinen sich auf Anhieb gut zu verstehen. Nichtsdestotrotz möchte Maria gerne im Astorga bleiben, für mich und Skye kommt das aber nicht in Frage. Wir würden gerne noch ein Stück weiter aber Maria hat für heute genug und möchte hier bleiben. Sie ist alt genug und so verabschieden wir uns.Skye und ich ziehen weiter nach Murias de Rechivaldo.
Wir übernachten in einer Herberge, in der es so aussieht, als wäre mal die große Garage ausgebaut worden. Ein Riesen Raum indem die Einzelbetten alle nebeneinander stehen. Es gibt 4 Duschen für ca. 20 Betten. Aber zum Glück ist hier nix los. Eine Handvoll Betten ist vermietet der Rest bleibt heute Nacht unbenutzt.
Nach dem Duschen und Frischmachen gehts gleich zum Dinner. Pasta als Vorspeise und Beef zum 2. Teller. Zum Abschluss noch ein Eis und alles ist gut. In ein paar Stunden hat meine Tochter Geburtstag und um 0 Uhr möchte ich sie dann überraschen. Was mir auch mehr oder weniger gelingt. Ich hatte zuvor einen Donut gekauft und auf den kommt eine Kerze. So rufe ich Leyla dann um 0 Uhr über FaceTime an. Dann bekommt sie ihr Ständchen, nicht nur von mir, sondern auch von alles aus dem Team Camino.
Sie ist vielleicht aber nur vielleicht ein wenig gerührt, lässt sich aber nicht anmerken. Zuhause ist die Hölle los, all unsere Freunde sind bei uns und gucken den Eurovision Songcontest. Normalerweise ist das Tradition aber diesmal kann ich leider nicht Dabeisein, sad. Um ca. 0:40 Uhr gehts dann auch für mich ins Bett. Morgen wird ein anstehender Tag, es geht auf 1530m in die Höhe. Mal sehen was der morgige Tag so bringt. Für heute ist erstmal Schluss.
In diesem Sinne, buenas noches amigos.
Bis zum Ende des Universums und wieder zurück, haben wir uns lieb.
Vedat und Kids