Tag 22

21.05.19

 

Cacabelos-La Faba 32km

 

Zum Glück hat Joe nicht geschnarcht und so hatte ich eine größten teils ruhige Nacht. In dieser Herberge war eine Frau mit ihrem Baby. Das Baby war schon relativ früh wach und hat uns allen mitgeteilt, dass es nicht mehr schlafen möchte, und zwar sehr lautstark. Ich glaube nicht, dass die Mutter eine Pilgerin ist, wer geht den mit einem Baby auf Pilgerreise? 

Unsere heutige Etappe wird bis vor die Füße des Alto do San Roque Passes bringen, den wir dann morgen bezwingen wollen. Um auf diesen Berg zu kommen, muss man 11 km nur steil Berg auf. Da waren die Pyrenäen nichts dagegen. 

Wie fast schon üblich stürmen Heather und Joe als erstes aus der Herberge danach Skye und ich lasse mir Zeit. Die habe ich hier zu genüge. Ich mag mich auch morgens nicht so hetzen. Schlussendlich treffen wir uns abends in der Herberge wieder. Meistens aber schon weit vorher zum Frühstück. Wie auch heute. Nach 5-6 km bleiben die drei an einem Café stehen und bestellen ihr Frühstück. Ich stoße kurze Zeit später dazu und bestelle mir meinen Kaffee mit Milch und Zucker dazu ein Schokobrötchen. Wir plaudern ein wenig über den gestrigen Tag und über den alten Mann. Irgendwie ist es traurig, dass er so alleine ist. Wer weiß welche Umstände dazu geführt haben. Nach dem wir gemütlich gefrühstückt haben, gehen die Anderen weiter während ich über den Markt schlendere. Ich würde schon gerne ein paar Sachen kaufen aber alles was ich kaufe muss ich auch tragen und so gibt es nur eine Mütze die ich Joe schenken werde. Das Wetter heute ist gut zum gehen nicht ganz so warm, sehr angenehm. Ich bekomme eine Nachricht von Joe und er fragt, wie es aussieht mit meinen Schmerzen im Bein und ob wir statt den geplanten 27km, 5km mehr machen sollen? Dann hätten wir morgen nicht den ganzen Berg vor uns. Da ich heute eh nichts anderes vor habe, stimme ich zu, bin ja nicht zum Spaß hier. Irgendwann habe ich die drei dann auch eingeholt und wir gehen gemeinsam das letzte Stück zur Herberge. Die Hospitaleros, so heißen die freiwilligen Helfer in einer kirchlichen Herberge, ist aus Deutschland, ihre Kollegin aus Polen. Die waren selber auf dem Jakobsweg unterwegs und jetzt sind sie 6 Wochen hier und leiten die Herberge. Leider sind die beiden mit dem Job restlos überfordert wie ich finde. Beide laufen kopflos immer hin und her. Aber sie helfen wo sie nur können. Als wir dann unsere zugewiesenen Betten beziehen kommt eine ganze Sippschaft Italiener in die Herberge. Von der Lautstärke könnte man meinen, es seien hunderte. Tatsächlich waren es sieben. Einer der Männer breitete sich dann im Schlafsaal aus und sagte lautstark“ ich koche heute Abend für alle“ ich dachte ok, gute Pasta lass ich mir nicht entgehen. Die Paste, die ich bis jetzt hier gegessen habe, war alles andere als al dente. „ ok, ich bin dabei“ sagte ich zu Enzo, so heißt der junge Mann. Meine Freunde entschließen sich dazu, in einem kleinen Restaurant im Dorf, dass Pilger Menü zu sich zu nehmen. Enzo fragt mich, ob ich mit ihm einkaufen gehe und ich stimme zu. Also gehen wir beide in den echt kleinen Tante Ema Laden im Dorf. Wir kaufen den halben Laden auf. Mit vollgepackten Tüten, voll Nudel, Tunfisch, Oliven,Tomaten, Zwiebeln, Baguette, Rotwein und und und kommen wir zurück zur Herberge. 

Enzo gibt den Chefkoch und ich bin seine rechte Hand. Baguettes schneiden, check.

Tomaten in kleine Würfel schneiden, check. Die Zwiebel lass ich von jemand anderem schneiden, Vedat nix dumm. Enzo setzt das Wasser für die Penne auf. Die passierten Tomaten kochen schon und ich gebe den Tunfisch dazu. Immer schön rühren sagt Enzo zu mir. Der Tunfisch muss sich schön verteilen und nicht klumpen. Dach noch die Oliven hinzugeben. Das duftet so gut, yummy.

Nudeln ins Wasser geben, und auf die Uhr gucken. 9 Minuten, dann sollten die Nudeln al dente sein. In der Zeit werden die klein geschnittenen Tomaten und Zwiebeln auf die aufgeschnittenen Baguettes verteilt. Noch etwas Olivenöl darüber und fertig sind die Bruschetta. Schnell noch den frischen Schinken und die Chorizo schneiden und fertig ist die Vorspeise. Ich probiere die Nudeln, sie müssen auf den Punkt sein, sonst bekomme ich von allen eine gebrezelt. Aber auf mich kann man sich halt verlassen, die Nudeln sind genau richtig. Abschütten und die Penne in die leckere Soße einrühren. Das hat echt viel Spaß gemacht und die anderen wissen gar nicht was sie verpasst haben. Die Gläser sind alle gefüllt und wir stoßen auf ein gelungenes Abendessen an. Enzo erzählt mir, dass er nur mit seinem Bruder und Vater unterwegs ist, alle anderen seien nur Anhängsel. Er koche schon seit Saint Jean für alle in der Herberge die mitessen wollen, geiler Typ wie ich finde. Wir haben jetzt für 13 Personen gekocht und jeder zahlt am Schluss gerade mal 5€. Leckere und günstiger geht gar nicht. Der Wein fließt und ich glaube wir unterhalten die ganze Herberge. Jeder kommt mal in die Küche um zu gucken was da los ist. Auch Skye schaut vorbei und ihr scheint die Atmosphäre zu gefallen. Auch sie bekommt noch ein Teller Nudeln und ein Glas Wein. Wie Italiener eben so sind, kommt nach dem Essen und dem vielen Wein.... genau der Gesang. Jeder singt mehr oder minder textsicher mit. Dann entdeckt Skye eine Gitarre und beginnt auf ihren Saiten zu zupfen. Wow, die kann ja echt Gitarre spielen denke ich noch und da fängt sie zu singen an. Fuck, mega Stimme. Das hätte ich jetzt echt nicht erwartet. Sie singt ihr Lieblingslied, Sweet Child O’ Mine von Guns n‘ Roses. Jeder im Raum ist im ersten Moment wie erstarrt bis dann jeder sein Handy zückt und Skye beim Singen filmt. Was für ein Abend, es wird gesungen, getanzt und gelacht. Nachdem die 8. Flasche Wein dann leer ist stimmt Skye ein letztes Lied an. Das Lied heißt Halleluja. Der Vater von Enzo zieht mich zu sich und sagt mir auf Italienisch“ wir leben in harten Zeiten und es ist viel leichter nicht an Gott zu glauben als es zu tun. Der Glaube ist wichtig mein Sohn, der Glaube ist was alles zusammen hält“ 

Mit diesem Satz ging er zu Bett. Der Rest von uns räumt noch alles auf und danach gehts auch für uns ins Bett. Während Enzo gleich in einen Tiefschlaf verfällt und dabei schnarcht wie keiner im Dorf. Denke ich über das Leben nach bevor auch mir die Augen zufallen. In diesem Sinne, buenas noches amigos.

 

Versuche nicht, ein erfolgreicher, sondern ein wertvoller Mensch zu werden.

Albert Einstein